An-fällig

In den Industrieländern waren wir berauscht von Wachstum und Erfolg, von Geld und Machbarkeit. Wir wussten zwar, dass dieses System anfällig ist, wir wussten um Bedrohungen wie den Klimawandel oder Computerviren, die alles lahmlegen können. Aber das alles war weit weg oder schien zumindest beherrschbar. Wir wussten auch, dass wir krank werden können und sterben werden. Aber auch das war weit weg, es ließ sich gut verdrängen – für die meisten.

Doch niemand – außer ein paar Virologen (aber auch die nur in der Theorie) – sah, was nicht zu sehen war. Selbst als der Virentsunami längst auf Europa zurollte, ahnte kaum jemand die unsichtbare Riesenwelle. Es war jenseits unserer Vorstellung, dass eine globale Katastrophe dieser Art uns zu Fall bringen könnte.

Unfassbar: Ein unvorstellbar kleines Etwas bringt die Welt zu Fall. Vielleicht war es beim biblischen Sündenfall ähnlich. Wann und wie auch immer das war (die Bibel erzählt es in Bildern) – und es geschieht immer wieder: Der Mensch kam zu Fall, als er das Vertrauen verweigerte, obwohl er bereits über die nötige innere Freiheit verfügte, um sich zum Vertrauen zu entscheiden. Er verlor das Grundvertrauen ins Leben, das Grundvertrauen auf Gott, das Grundvertrauen in das, was Gott in sein Herz gelegt hatte, und folglich auch das immer wieder neue Wagnis, dem Nächsten zu vertrauen. Die Verweigerung von Grundvertrauen schafft eine negative Atmosphäre, die sich wie ein Virus über die ganze Welt und über viele Generationen ausbreitet. Dieses Virus bleibt, und der Mensch bringt es nicht mehr unter Kontrolle. Das Herz des Menschen wird verfremdet, es beginnt etwas zu erzeugen, was eigentlich nicht zu ihm gehört. Und aus einem unvorstellbar kleinen Etwas, einer Verweigerung des Guten, einem Virus der Unmenschlichkeit, entsteht im Schneeballeffekt – oder im exponentiellen Wachstum – eine Riesenlast, die niemand mehr der Welt abnehmen kann.

Das Kreuz symbolisiert diese Last. Jesus trägt sie. Gott selbst trägt sie. Gottes Liebe verweigert sich dem Menschen nicht – trotz aller Verweigerung des Menschen. Und diese göttliche Liebe hat als einzige Kraft das Potenzial, die Welt zu erlösen. In Jesus ist diese Liebe sichtbar und greifbar. Er verweigert sie nicht deswegen, weil er ein „Superman“ wäre, sondern weil in ihm Gott selbst mit uns geht. Er trägt die Last sehr menschlich, er ist kein „Superman“: Er fällt. Sein Körper fällt. Aber sein Herz bleibt uns weiter zugewandt und schenkt uns seine ganze Liebe – auch dann, wenn ein kleines Virus uns zu besiegen scheint und unser Leben in sich zusammen zu fallen droht.

Jesus, du gehst mit uns. In der Not fällt es uns schwer zu vertrauen. Wir fühlen uns, als würde uns der Boden unter den Füßen weggezogen. Dir ging es ähnlich… Du weißt, was das bedeutet. Wir sagen oft, wenn es uns zu schwer wird: „Ich will nicht mehr!“ Du gehst Schritt für Schritt weiter. Berge unser Nein in Deinem Ja, nimm uns mit auf Deinem Weg der Liebe und richte uns wieder auf. Sei gepriesen in Ewigkeit. Amen.

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