Mélanie André (1800-1878)

 

Erste Priorin des Klosters.

 

Angélique André, wie sie mit Geburtsnamen heißt, wird am 29. Oktober 1800 in Amance, nordöstlich von Nancy, geboren. Mit 20 Jahren tritt sie in das Kloster der Benediktinerinnen vom Hlst. Sakrament in Saint-Nicolas de Port (Lothringen) ein, nicht weit von ihrem Heimatort entfernt. Zu dieser Zeit besteht das Kloster erst seit acht Jahren. Es ist entstanden durch den Zusammenschluss der Klöster von Rambervillers, Nancy und Toul, die noch zu M. Mechtildes Zeiten gegründet bzw. in das Ordensinstitut aggregiert worden waren, die aber dann der Zerstörungswut durch die Truppen der Französischen Revolution zum Opfer fielen, während die drei Konvente jahrelang im Untergrund weiterbestanden. In diese Atmosphäre des Neuaufbruchs hinein tritt die junge Postulantin Angélique ein. Nach dem halbjährigen Postulat wird sie am 27. Mai 1821 eingekleidet und erhält den Namen der heiligen Melanie. Ein Jahr darauf, am 28. Mai 1822, legt sie ihre Profess ab.

Unter den Aufgaben, die sie im Kloster bekommt, gehört die Leitung des Noviziats. Als die Priorin von Saint-Nicolas de Port, M. Stéphanie Petitjean, im Februar 1854 zusammen mit dem Klosterrektor nach Trier reist, um sich das Haus der Clara Koch im Gartenfeld anzuschauen, das diese für eine Klostergründung stiften möchte, nimmt sie die gute Schwester Mélanie mit. Die Priorin muss großes Vertrauen in sie gehabt haben, denn sie lässt die damals 54-Jährige, die kaum Deutsch spricht, gleich in Trier und reist mit dem Klosterrektor zurück in die Heimat.

Mit Klugheit und Umsicht bereitet Schwester Mélanie die Neugründung vor, unterstützt von den Borromäerinnen in Trier, die ebenfalls aus Nancy stammen, und natürlich von der Klosterstifterin Clara Koch vom Gartenfeld. Bald schickt man ihr weitere Mitschwestern aus dem Heimatkloster zu. Mit der offiziellen Eröffnung des neuen Trierer Klosters am 25. März 1854 übernimmt sie nun die Verantwortung als „Subpriorin“ für die kleine Gruppe des noch von Saint-Nicolas de Port abhängigen Konventes.

Schwester Mélanie ist eine Person, die bei allem Engagement wohl gern im Hintergrund bleibt. Für eine Zeit, die dazu neigt, Autoritätspersonen eine übertriebene Bedeutung zu geben, wird sie in der Klosterchronik eher wenig erwähnt, was vielleicht auf ihre bescheidene, ausgeglichene Haltung schließen lässt. Ihr milder Gesichtsausdruck unterstreicht diese Annahme. Trotzdem entzieht sich die engagierte Lothringerin keiner Verantwortung, die ihr zukommt, und das unter größten Schwierigkeiten. Sie muss schon ein gewisses Organisationstalent besitzen, denn bereits nach wenigen Jahren wird sie – zum Leidwesen des Trierer Konventes – vorübergehend mit der Neugründung des Klosters Rosheim im Elsass betraut. Nach ihrer erfolgreichen Mission dort kehrt sie aber nach Trier zurück, wo sie dringend gebraucht wird. Am 17. April 1869 wählt die Trierer Gemeinschaft sie zur Priorin des damit nun selbständig gewordenen Klosters. Immerhin ist sie zu diesem Zeitpunkt bereits 69 Jahre alt – für das 19. Jahrhundert ein ansehnliches Alter.

Mélanie übt ihren Dienst gewissenhaft aus, aber in einer politisch sehr unruhigen Zeit. Die Schwestern müssen 1875, nur sechs Jahre nach der Verselbständigung des Klosters, aufgrund ordensfeindlicher Gesetze im sogenannten „Kulturkampf“ das Land verlassen. M. Mélanie stellt sich den Herausforderungen und flieht mit dem Konvent noch vor Inkrafttreten der neuen ordensfeindlichen Gesetze – um staatliche Übergriffe zu vermeiden – nach Luxemburg, wo sie und ihre Mitschwestern von den Elisabetherinnen in Bettemburg aufgenommen werden. Doch die Flüchtlingsschwestern aus Trier müssen dort zunächst sehr eingeengt und unter großer Armut in schlecht belüfteten Räumen über einer Waschküche wohnen. Die Folge: Die Tuberkulose – ein ohnehin großes Problem in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts – rafft eine ganze Reihe sehr junger Schwestern dahin. Nur durch den Eintritt immer neuer Schwestern, die teilweise zwar auch erkranken und sterben, doch so zahlreich sind, dass sie die Zukunft sichern, kann die Gemeinschaft weiter bestehen.[1] Das spricht für eine gute Atmosphäre und einen beeindruckenden Einsatz unter den Schwestern. M. Mélanie mag ihren Anteil daran gehabt haben. Doch sie stirbt nach nur drei Exilsjahren in Bettemburg am 11. April 1878 an einer schweren Grippe im Alter von 77 Jahren.

[1] Aus heutiger Sicht erscheint es unverantwortlich, in eine so infizierte Umgebung hinein junge Frauen aufzunehmen. Aber man muss bedenken, dass damals die Ansteckungswege der Krankheit noch nicht bekannt waren. Man wusste noch nichts von Bazillen. Die Krankheit erschien wie ein Übel, das einfach „in der Luft“ war, denn sie war überall anzutreffen, auch in Familien und Betrieben. Im 19. Jahrhundert starb zeitweise jeder Dritte daran, von den jüngeren Menschen, die starben,  sogar jeder Zweite.