Saint-Nicolas de Port (ab 1812)

Unser „Mutterkloster“ in Lothringen

nicolas

Innenhof des Klosters der Benediktinerinnen von Saint-Nicolas de Port. Von diesem Konvent wurden Schwestern zur Gründung unseres Klosters in Trier entsandt.

Die Stadt Saint-Nicolas de Port war lange Zeit ein wichtiges geistliches Zentrum in Lothringen. Noch heute ist sie bekannt durch die Verehrung des hl. Nikolaus, die von dort ausging, seitdem 1093 eine Reliquie des Heiligen in die Stadt gebracht worden war. Ein besonderer Anziehungspunkt ist zudem die spätgotische Basilika geworden, die die Reliquie seit dem 16. Jahrhundert beherbergt. Ihr Bau war notwendig geworden durch die ständig steigenden Pilgerzahlen.

Nicht nur unser Kloster, zwei Autostunden von Saint-Nicolas de Port entfernt, sondern auch das Institut der Benediktinerinnen vom Hlst. Sakrament und M. Mechtilde Catherine de Bar selbst haben geschichtliche Verbindungen zu dieser Stadt. Bereits das Kloster der Annunziatinnen in Bruyères, in das die junge Catherine eintrat, war erst kurz zuvor von den Annunziatinnen von Saint-Nicolas de Port aus gegründet worden, ebenso das Kloster Rambervillers (in das sie übertrat) durch die Benediktiner von Saint-Nicolas de Port, die eine Gruppe religiös engagierter junger Frauen zur Neugründung nach Rambervillers entsandt hatten. Auch nach der Gründung des Instituts der Benediktinerinnen vom Hlst. Sakrament gab es Verbindungen zu den Benediktinern von Saint-Nicolas de Port.

So wundert es nicht allzu sehr, dass die Konvente von Toul, Rambervillers und Nancy, die nach den Wirren der Französischen Revolution 20 Jahre lang (!) im Untergrund überlebt hatten und nun beschlossen, in einem einzigen Konvent das monastische Leben wieder aufzunehmen, diese Stadt wählten. Unter der Leitung der Priorin M. Marie Aimée de Vassimon zogen sie 1812 in das alte leerstehende Kloster der Augustiner-Chorfrauen. Alle drei Konvente waren eng mit der Biographie von Mechtilde de Bar verbunden.[1] Daher mochten sie sich in besonderer Weise dem geistlichen Erbe ihrer Gründerin verpflichtet gefühlt haben, was sie dazu motivierte, nach den dramatischen Erfahrungen der Französischen Revolution diesen riskanten Versuch zu unternehmen.

Nun lebten also Mitte des 19. Jahrhunderts diese drei Gemeinschaften als neuer Konvent seit etwa vier Jahrzehnten in Saint-Nicolas de Port. Sie pflegten nicht nur das benediktinische Gotteslob und die Ewige Anbetung, sie führten auch ein großes Mädchenpensionat, waren also offensichtlich gut integriert in der Stadt, und halfen überdies noch anderen Klöstern aus. Die traumatischen Erfahrungen der Revolution lagen weit zurück, die Unterschiede zwischen den ursprünglichen Gemeinschaften verblassten allmählich. Bei der damaligen Lebenserwartung mochten nur wenige Schwestern noch am Leben sein, die die Revolution, die Zeit im Untergrund und den neuen Aufbruch miterlebt hatten.

Zwei Neugründungen versuchten sie (1844 in Dombrot und 1852 in Bellemagny), hatten dabei aber keinen Erfolg. Daher taten sie sich keineswegs leicht mit der Entscheidung, in Trier zu gründen, als die Anfrage aus der Moselstadt kam. Vor allem die gefürchteten Sprachschwierigkeiten und die schwache Gesundheit der 36-jährigen Clara Koch aus Trier, die das Kloster stiften wollte und zudem fest entschlossen war, in „ihr“ Kloster selber einzutreten, schreckten sie ab. Die Klosterchronik bezeugt es: „Die verschiedenen Niederlagen im Hinblick auf Gründungen ließen uns glauben, dass der Herr von uns nicht solche Werke erwartet, dass wir nicht dazu bestimmt sind, unser Institut zu verbreiten, sondern nur, uns im Geist zu festigen, der ihm eigen ist.“[2] Doch dann heißt es weiter: „Dennoch verfügte es die Göttliche Vorsehung anders und ohne dass wir es hätten vorausahnen können.“[3] Schließlich wagten sie also, dem Ruf nach Trier zuzustimmen.

Die Priorin von Saint-Nicolas de Port, M. Stéphanie Petitjean, begleitet von der Novizenmeisterin Schwester Mélanie André, die die Verantwortung für die Gründung vor Ort übernehmen sollte, und dem Klosterrektor Monsieur Bastien reisten im Februar 1854 nach Trier, schauten sich das Haus im Gartenfeld an und hielten es für geeignet. Das Kloster eröffnete am 25. März 1854 und blieb bis 1869 abhängig vom Mutterkloster, das seine Trierer Gründung liebevoll un petit bijou (ein Kleinod) nannte.

Von der nächsten kirchenfeindlichen Welle in Frankreich Anfang des 20. Jahrhunderts erholte sich das Kloster Saint-Nicolas de Port leider nicht mehr. Die Schwestern verteilten sich teilweise in andere Klöster, teilweise gingen sie wieder in den Untergrund, wo sich aber ihre Spur verloren hat. Das letzte Zeugnis, das wir kennen, ist ein Brief von der letzten Priorin, M. Scholastique, die in Nancy allein in einer Wohnung lebte, aus dem Jahr 1921. Sie hatte den Teil der Chronik von Saint-Nicolas de Port, der von der Trierer Gründung handelte, für die Trierer Schwestern abgeschrieben. Die Chronik selbst befindet sich in Rosheim im Elsass, wo 1862 die zweite und letzte erfolgreiche Gründung unternommen worden war.

[1] Toul war die erste Neugründung M. Mechtildes (1664) außerhalb von Paris, die ihr daher besonders am Herzen lag. Rambervillers, das Professkloster M. Mechtildes, nahm sie zwei Jahre später in ihr Institut auf, nach drei weiteren Jahren folgte Nancy, das als Benediktinerinnenkloster ebenfalls bereits bestand.

[2]  »Ces différents échecs, en fait de fondation, nous portaient à croire que le Seigneur ne demandait pas de nous de telles œuvres, que nous n’étions pas destinées à propager notre Institut, mais seulement à nous affermir dans l’esprit qui lui est propre. » (Aus der Chronik von Saint-Nicolas de Port)

[3] « Cependant la Divine Providence en disposa autrement et sans que nous puissions aucunement pressentir. » (Aus der Chronik von Saint-Nicolas de Port; Abschrift, die die letzte Priorin von Saint-Nicolas, M. Scholastique, 1921 für den Trierer Konvent besorgte.)