Lob Gottes

manos

Haben Sie heute schon gelobt? Ihren Mann, Ihr Kind, Ihre Freundin, Ihre Eltern…? Sind Sie selbst heute schon gelobt worden?

Loben – irgendwie geht das immer mit:
„Kommt das an, was ich tue?“
„Ist mir das gelungen?“
„Sehe ich gut aus?“
„War‘s gut?“
„Mensch, was warst du so toll!“
„Habt ihr gutes Wetter?“

Ehrlich: Ein Tag ganz ohne Lob, egal ob empfangen oder gegeben, ist kein guter Tag. Nur treibt unser Bedürfnis nach Lob manchmal seltsame Blüten…

Wir Menschen laufen ständig mit Bewertungskriterien im Kopf herum: beim Aufstehen, beim Kämmen und Schminken, beim Schauen nach dem Wetter, beim Arbeiten, in Begegnungen mit Menschen, beim Abrufen von Facebook mit seinen Millionen „likes“ und „dislikes“, beim Fernsehen… Es soll alles möglichst optimal sein. Schon die Kleinsten werden danach beurteilt. Und weil sie dazu auch noch selbstbewusst sein sollen, lobt man sie schonmal bei jeder Gelegenheit – für ihr tolles Lallen, für ihre gute Verdauung oder weil sie so schön ihren Brei geschluckt haben…
Warum loben wir sie nicht einfach für ihr Dasein?
Warum sagen wir nicht: „Toll, dass Du da bist!“?
Und was ist mit unserem Dasein?
Ist das nicht auch ein Grund zum Lob?

Bereits Jahrmillionen – was sage ich: Jahrmilliarden! – vor meiner Geburt ist trotz Katastrophen und Rückschlägen alles so optimal gelaufen, dass es mich heute gibt. Alles Lebendige überlebte und konnte Leben weitergeben, auch durch Kriege, Hungersnöte, Seuchen, Meteoriteneinschläge hindurch. Ich bin ein Nachkomme von lauter Überlebenskünstlern… Kein Wunder, dass der Mensch nicht so leicht kleinzukriegen ist! In seinen Genen ist eine einzige Erfolgsgeschichte gespeichert, wenn auch durch Katastrophen und Rückschläge hindurch – was frühere Zeiten angeht, sogar überwiegend. Doch vor allem durch viel gegenseitige Hilfe zum Leben. Diese gegenseitige Hilfe zum Leben wurde, je komplexer das Leben sich entfaltete, sogar zum größeren, gemeinsamen Überlebensvorteil als der selbstbezogene Konkurrenzkampf, der letztlich in die Isolierung führt. Sonst gäbe es den Menschen nicht. Er wäre nicht bis heute gekommen. Und auch in die Zukunft wird er nur durch gegenseitige Hilfe kommen – auch „inter-kreatürlich“, etwa in der Mit-Sorge für die Umwelt, nicht durch Konkurrenzkampf.

Ich kann also eine direkte Linie ziehen von mir bis zur Entstehung des Universums. Nichts brach auf dieser Linie ab. Nichts rutschte in den Abgrund, immer wurde das Leben noch rechtzeitig weitergegeben. Ist das nicht ein Wunder? Wäre es – einzig von Wahrscheinlichkeitsrechnungen ausgehend – nicht sehr viel wahrscheinlicher gewesen, dass meine Linie doch irgendwo gekappt worden wäre? Natürlich – aber nein, alles bekam eine Chance, alles, was auf meiner Linie lag, entwickelte sich weiter bis zu mir heute. Ob das nicht ein Grund zum Lob ist? Wen soll ich dafür loben? Mein Anteil daran ist – zumindest bis zu meinem ersten Atemzug – gleich Null. Und auch danach war und ist fast alles Geschenk. Oder doch alles? Denn auch die Fähigkeit zur freien, bewussten Mitgestaltung ist Geschenk. Allerdings nimmt mir niemand die Möglichkeit weg, das Lob auch zu verweigern…

Loben hat etwas mit Dankbarkeit zu tun. Es schaut auf das Geschenk des Lebens – und auf den Urheber dieses Geschenkes. Ein Lobender ist nicht von Angst motiviert, sondern von Staunen und Freude. Er surft sozusagen auf der Welle des Lebens, egal ob sie nun gerade klein oder groß und herausfordernd ist. Das Wasser trägt ihn, die Welle führt ihn. Und er ist demütig genug, sich tragen und führen zu lassen.

Manche Menschen machen das Lob Gottes zu ihrer Lebensaufgabe, weil sie sich vom liebenden Gott gerufen fühlen. Sie sagen tatsächlich, wie es in einem Lied heißt: „Gott loben, das ist unser Amt.“ Wie kommen sie dazu? Ist die Entscheidung authentisch, dann müssen sie vom Leben tief berührt sein. „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt?“ So lautet die erste Frage der „Berufungspastoral“ des hl. Benedikt, unseres Ordensgründers. Die Gott lobende Person ahnt, dass es gerade diese Dankbarkeit und Offenheit gegenüber dem Schöpfer sind, die dem Leben eine Richtung, einen Sinn geben und etwas von der Liebe Gottes auf Erden spüren lassen. Sie ahnt, dass gerade die Beziehung zum Schöpfer unser Lebens-Grundwasser ist und zugleich die Luft, die wir atmen, und die uns alle miteinander verbindet. Weil sie Liebe ist. Daher stehen wir Benediktinerinnen und Benediktiner immer auch für alle anderen da, je zweckfreier wir Gott um seiner selbst willen loben…

Ja, genau, Liebende loben zweckfrei – und sie lieben zweckfrei. Mögen wir immer mehr zu solchen lebendigen Liebenden und Lobenden werden!

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